In dieser Stellungnahme äußert sich die SDW zum Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land der Bundesregierung für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) hält vom Grundsatz her die Nutzung der Windenergie als eine Form der erneuerbaren Energien für einen wichtigen Beitrag für die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Auch die Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie unterstützen wir nachdrücklich, allerdings darf diese nicht zu Lasten der biologischen Vielfalt umgesetzt werden. Unsere grundlegende Befürchtung sehen wir in einer Energiepolitik, die kaum mehr Rücksicht nimmt auf die vielfältigen negativen Auswirkungen beim Bau und Betreiben von Windkraftanlagen auf das Waldökosystem; dem Ausbau regenerativer Energien wird absoluter Vorrang gegenüber Biodiversität sowie dem Arten- und Naturschutz eingeräumt. Als Waldschutzverband ist dies für uns nicht hinnehmbar.
Der Gesetzentwurf unterscheidet nicht zwischen den unterschiedlichen Lebensräumen, Habitaten und Flächennutzungen an Land. Dies ist nicht tragbar, da eine intensiv genutzte landwirtschaftliche Fläche nicht mit der naturnächsten und ökologisch verträglichsten Landnutzungsform – dem Wald – verglichen werden kann. Aufgrund ihrer vertikalen Struktur weisen Wälder ein vielfältiges Angebot an Nahrung, Deckung und Brutmöglichkeiten auf. Der Wald ist Lebensraum für eine Vielzahl von geschützten Arten. Neben bekannten Wildtieren wie Wolf, Luchs und Auerhuhn leben noch viele weitere geschützte Tiere, Pflanzen, Pilze und Flechten in unseren Wäldern, die die biologische Vielfalt im Wald ausmachen. Der Wald bildet im Biotopverbund das Rückgrat des Naturhaushalts in Deutschland. Darüber hinaus ist die ökologische Qualität unserer Wälder der Garant für die Bereitstellung der vielfältigen Ökosystemleistungen des Waldes. Denn nur ein intaktes Waldökosystem filtert Luftschadstoffe, fungiert als Trinkwasserfilter, Trinkwasserspeicher, natürlicher Hochwasserschutz und vieles, vieles mehr. Daher fordern wir als Waldschutzverband die besondere ökologische Wertigkeit des Waldökosystems anzuerkennen und Windkraftanlagen vorrangig außerhalb des Waldes zu errichten.
In Ihrem Entwurf heißt es wortwörtlich: „Der planerischen Steuerung durch die Ausweisung von Windenergiegebieten soll im Ergebnis nur noch dann Ausschlusswirkung zukommen, wenn die Flächenziele erreicht werden. Andernfalls sollen Windenergieanlagen im gesamten Planungsraum privilegiert zulässig sein.“ Damit machen Sie transparente, unvoreingenommene Abwägungs-, Prüfungs- und Ausweisungsprozesse zunichte. Ihre Aussage steht in deutlichem Kontrast zum Koalitionsvertrag, in dem es heißt: „Wir wollen die Rechtssicherheit im Artenschutzrecht durch bundeseinheitliche gesetzliche Standardisierung (insb. Signifikanzschwellen) erhöhen, ohne das Schutzniveau insgesamt abzusenken.“ Fakt ist, dieser Gesetzentwurf senkt das Schutzniveau des Waldes drastisch ab.
Konkret wird im Baugesetzbuch durch den Entwurf folgender gekürzter Absatz 2 in § 9 erlassen: „Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen wird ermächtigt […] Vorgaben zu erlassen zur Berücksichtigung von artenschutzrechtlichen Belangen im Rahmen der Umweltprüfung bei der Aufstellung von Bauleitplänen. Sofern dabei auch Fragen der Windenergie an Land berührt sind, sind die Vorgaben […] zu erlassen.“ Im Klartext bedeutet dies, der Ausbau der Windenergie wird jedem anderen Bauvorhaben gegenüber privilegiert behandelt und was für uns als Waldschutzverband besonders besorgniserregend ist, eine unabhängige Prüfung von Artenschutzbelangen wird so ausgehebelt.
Wir fordern daher den Gesetzentwurf um den Zusatz „Windkraftanlagen sollen vorrangig außerhalb des Waldes errichten werden und im Wald nur dort, wo die Klimaschutzwirkung am größten ist und die ‚Umwelt- bzw. Naturschutzkosten‘ am geringsten sind“ oder eine ähnliche Formulierung zu ergänzen. Dieser Zusatz muss auch für die Umsetzung in den Ländern gelten. Unsere expliziten Forderungen und Potenziale für den Ausbau der Windenergie, haben wir Ihnen nachstehend zusammengefasst:
Weitere Forderungen:
Ich hoffe, wir konnten Ihnen nachvollziehbar darlegen, dass der Wald keine Prioritätsfläche für Windkraftanlagen werden darf. Vorrangig sollte der Ausbau im artenarmen, intensiv und nicht naturverträglich bewirtschaftetem Offenland stattfinden. Trotzdem sehen auch wir, dass der Wald seinen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien liefern muss. Wie von uns dargelegt, bestehen hierzu durchaus entsprechende naturverträgliche Potenziale.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dieter Pasternack
Stand: 23. Juni 2022
Erste Analyse Koalitionsvertrag des SDW Bundesverbandes
„Auf dem richtigen Weg, aber mit offenen Fragen“, so beurteilt SDW-Bundesgeschäftsführer Christoph Rullmann den Koalitionsvertrag der Ampelparteien. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) begrüßt, dass die neue Regierung ihren Schwerpunkt auf den Klimaschutz legt und bis 2045 Treibhausgasneutralität erreichen will. Sie begrüßt, dass im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz die wichtige Rolle des Waldes anerkannt wurde.
Grundsätzlich fällt das Fazit der SDW über den Koalitionsvertrag positiv aus, auch wenn einige Ungereimtheiten auftreten. Eine vollständige Analyse zum Koalitionsvertrag finden Sie in der beigefügten PDF.
Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) lehnt die Vorschläge der EU-Kommission im Rahmen des europäischen Green Deals zur EU- Waldstrategie ab und fordert eine Weiterentwicklung der Strategie. Die EU-Waldstrategie, die auf die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 aufbaut, lässt einen ganzheitlichen Ansatz zur nachhaltigen Forstwirtschaft vermissen.
Die SDW fordert ein klares Bekenntnis zur multifunktionalen Forstwirtschaft, in der die Schutz-, Erholungs- und Nutzfunktion gleichwertig behandelt und gefördert werden. Darüber hinaus müssen die sozioökonomischen Gegebenheiten und die Heterogenität der Forstwirtschaft in den einzelnen Mitgliedsstaaten wertgeschätzt werden.
Die pauschale Nutzungseinschränkungen auf 30 Prozent der Landesfläche, von denen zehn Prozent unter strengen Schutz gestellt werden sollen, sind im Grunde genommen sinnvoll. Da aber in der Regel kaum landwirtschaftliche Flächen oder Siedlungsflächen zur Verfügung stehen, werden vor allem Wälder von dieser Regelung betroffen sein. Dies ist kontraproduktiv und steht konträr zu den Klimaschutzzielen der Europäischen Union. Die Kohlenstoffspeicherleistung von europäischem Holz als Ersatz für Baumaterialien mit schlechter Klimabilanz wie Stahl, Aluminium und Beton oder Verpackungsmaterial wie Plastik muss anerkannt werden. Die Kohlenstoffbindung allein auf den Wald zu beschränken, wie in der EU-Waldstrategie gefordert, führt jedoch zu einer Reduktion der Waldstabilität und gefährdet die Senkenleistung des Waldes.
Daher fordert die SDW Refugien der Biodiversität gezielt zu erfassen und ihren Erhalt und Förderung sicherzustellen. Zudem dürfen die verschiedenen Ziele der multifunktionalen Waldwirtschaft nicht gegeneinander ausgespielt werden. Maßnahmen zum Artenschutz, Klimaschutz und zur Holznutzung können intelligent in die Waldbewirtschaftung integriert werden.
Darüber hinaus kann der Wald nicht die Treibhausgasemissionen aller anderen Branchen im Landnutzungssektor (LULUCF) und anderen Wirtschaftszweigen kompensieren. Die SDW fordert, dass diese Branchen einen größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Bevor Treibhausgase gebunden werden müssen, sollte alles versucht worden sein, diese zu vermeiden oder zumindest zu vermindern. Der Wald ist eben auch vom Klimawandel betroffen und der Fokus sollte jetzt auf dem aktiven Waldumbau hin zu vitalen, klimaresilienten und artenreichen Wäldern liegen. Denn nur durch die Anpassung der Wälder an den Klimawandel können alle Waldfunktionen und Ökosystemleistungen erhalten bleiben bzw. wiederhergestellt werden.
Resolution der SDW-Delegiertenversammlung vom 30. Oktober 2021 in Potsdam; Antrag eingebracht von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Landesverband Hessen e.V.